Über Adjektive

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Wenn eine Wortart weiß, was Mobbing bedeutet, dann ist es das Adjektiv. Kein Schreibratgeber oder Lehrgang ohne Tipps wie: Meiden Sie Adjektive, show-don’t-tell, zu viele Adjektive schaden Ihrem Text, bis hin zu eigens kreierten Kursen mit Titeln wie „ausdrucksstark schreiben ohne Adjektive“. Manchmal fühlt man sich allein schon aus Trotz dazu verleitet, einem Text so viele Adjektive zu verpassen, wie überhaupt nur möglich. Doch spätestens dann merkt man, dass weniger möglicherweise doch mehr sein könnte. Wer kennt sie nicht, die heißen, hingebungsvollen Küsse scharlachrot glänzender Lippen? Nein, das will frau nicht! Also küssen schon, aber bitte nicht so. Wobei mir wieder einfällt, wie unendlich schwer es ist einen Kuss zu beschreiben. Oder eine Umarmung, ein Streicheln, … furchtbar. Doch zurück zum Adjektiv.
Bei der Durchsicht meiner Bestände fiel mir ein Übungstext in die Hände, bei dem es nicht nur darum ging, eine emotionale Szene mit zwei Personen zu schildern, sondern dies bitte auch möglichst ohne Adjektive und in zwei verschiedenen Zeitformen zu tun.

Als folgsame Autorenschülerin tat ich wie mir geheißen und ging ans Werk. Hier nun also das Ergebnis für euch, nicht ganz, aber fast frei von Adjektiven. Ich gestehe, das ein oder andere hatte sich noch in den ersten Entwurf geschlichen und wurde erst in der Überarbeitung getilgt. Nicht vorenthalten möchte ich euch auch meine Bewertung dieser Übung und des Adjektivs an sich: Als Übung super, weniger ist tatsächlich oft mehr, aber die zwanghafte Vermeidung von Adjektiven ist für die Textqualität kaum weniger nachteilig als ihr massenhafter Einsatz. Wohldosiert erspart es einem manch verquaste Formulierung, Nominalisierungen und insbesondere Metaphern (grausam viele z.B. bei Juli Zeh – nervt voll!), gegen die ich mittlerweile eine regelrechte Abneigung hege. Aber, jeder wie er mag.

Ein Meister, dies noch zum Schluss, des adjektivarmen Schreibens, soll Georges Simenon gewesen sein. Vielleicht sollte ich mir die alten Maigrets noch einmal genauer anschauen.

Nach dem Streit I

 „Komm“, hast du gesagt und nach dem Mantel gegriffen, „lass uns eine Runde durch den Park drehen.“
Doch der Park wollte uns heute nicht helfen, lag unter dem Novemberhimmel und verweigerte seinen Dienst. Wir wählten den Pfad zum Teich, der im Sommer, wenn der Park voller Menschen ist, Ruhe bietet, weil nur Wenige sich in den Schatten des Waldes begeben, wenn die Sonne lockt. Heute trafen wir niemanden, nicht einmal ein Hund kreuzte unseren Weg.
Die Novemberkälte malte uns Atemfahnen, kroch unter Mantel und Haut und ließ uns verstummen. Nein, es war keine gute Idee hierher zu kommen. Wer jetzt kein Haus hat baut sich keines mehr, kamen mir Rilkes Zeilen in den Sinn. Vergessen das Oktoberlicht, in dem der Sommer seine Abschiedsvorstellung gab. Vergessen die Leichtigkeit, mit der wir nebeneinander gingen. Ich sah dich zu den Baumwipfeln aufschauen und mit den Augen einem Blatt folgen, ohne dass ein Lächeln in deinen Augenwinkeln wuchs. Ob du wusstest, wie mich sein Fehlen schmerzte? Noch ein paar Schritte und wir standen am Ufer, suchten nach einem Anker für unsere Augen, damit wir einander nicht ansehen mussten. Doch der Teich hatte sich ein Winterbraun angezogen, in dem alle Farben ertranken und alle Worte versickerten. So wird er liegen bis zum Frühjahr, dachte ich. Liegen und warten. Auf Sonne und Wärme, bis er aufwachen und sich öffnen kann. Für neue Worte, neue Geschichten wie Deine und meine, die hier … ja, was hier findet? Ihr Ende oder einen Winter, auf den ein Frühling folgt? Ich wusste es nicht, konnte nur stehen und auf die Sonne hoffen.
„Auch Lust auf heiße Schokolade?“, hast du gefragt.
„Ja“, habe ich erwidert und in mir Wärme aufsteigen spüren. „Unbedingt.“

 

Nach dem Streit II

»Komm!« Du greifst nach dem Mantel und stehst im nächsten Moment in der Tür. »Lass uns eine Runde durch den Park drehen.«
Doch der Park will uns heute nicht helfen. Er liegt einfach nur da, unter dem Novemberhimmel, und verweigert seinen Dienst. Wir wählen den Pfad zum Teich, der im Sommer, Ruhe bietet, weil nur Wenige sich in den Schatten des Waldes begeben, wenn die Sonne lockt. Heute treffen wir niemanden, nicht einmal ein Hund kreuzt unseren Weg.
Die Kälte malt uns Atemfahnen, kriecht unter Mantel und Haut und lässt uns die Schultern hochziehen. Verharscht der Boden unter unseren Füßen. Nein, es war keine gute Idee hierher zu kommen. Wer jetzt kein Haus hat baut sich keines mehr, kommen mir Rilkes Zeilen in den Sinn. Vergessen das Oktoberlicht, in dem der Sommer seine Abschiedsvorstellung gab. Vergessen die Leichtigkeit, mit der wir nebeneinander gingen. Ich sehe dich zu den Baumwipfeln aufschauen und mit den Augen einem Blatt folgen, ohne dass ein Lächeln in deinen Augenwinkeln wächst. Ob du weißt, wie mich sein Fehlen schmerzt? Noch ein paar Schritte und wir stehen am Ufer, suchen einen Anker für die Augen, damit wir einander nicht ansehen müssen. Doch der Teich hat sich ein Eiskleid angezogen, in dem Farben und Licht ertrinken. So wird er liegen bis zum Frühjahr. Liegen und warten. Auf Sonne und Wärme, die ihn aufwecken und öffnen. Für neue Spiegelbilder, Worte und Geschichten. Geschichten wie Deine und meine, die hier … ja, was hier findet?
»Auch Lust auf heiße Schokolade?«, fragst du.
»Ja.« Ich spüre Wärme. »Unbedingt.«

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