Nach dem Fest – dunkle Stunden hat jeder

Ob Ihr es glaubt oder nicht, er sah müde aus, als ich am Morgen nach der Geburtstagsparty mein Laptop aufschlug. Mattschimmernd. Dabei strahlt er sonst los, als gelte es einen Wettbewerb in Sachen Brillanz zu gewinnen. Farblich ist weit vorn, das weiß er natürlich. Wer? Ach so, monatsweise natürlich. Es heißt das Blog? Jein. Der Duden lässt sowohl die neutrale als auch die maskuline Form gelten. So wie beim Laptop. Das ist bei mir sächlich, auch wenn das Korrektursystem dann immer einen Grammatikfehler anmarkert. Im Gegensatz zum Blog. Ich klappe das Laptop auf und schreibe in den Blog! Für mich klingt das besser und wenn ich die Wahl habe, folge ich meinem Gefühl. Aber das nur am Rande. Er jedenfalls sah müde aus, gesprächsbedürftig.

 

K: Na, was ist denn mit dir? Verkatert?
M: Wohl kaum. Wie auch, du hast ja gestern lieber eine Masterarbeit korrekturgelesen, als mit mir zu zechen.
K: Ja, sorry, musste leider sein, ließ sich nicht aufschieben.
M: Klar, die anderen gehen immer vor.
K: Nun komm, so schlecht hast du es bei mir nicht. Ich komme schließlich fast jeden Tag mal kurz vorbei. Bin ich hier oder nicht?
M: Kurz, ja.
K: Du übertreibst. Einmal im Monat gibt es schließlich was Längeres.
M: Eben, einmal im Monat.
K: Entschuldige, aber du bist weder ein Lifestyle- noch ein Fotoblog, auf dem ich jeden nur erdenklichen Unsinn posten kann. Ein bisschen Zeit brauche ich schon, um Veröffentlichungstaugliches zu schreiben. Oder wäre es dir lieber, ich hämmere jede noch so schwache Zeile in dich rein?
M: Über das mit dem Hämmern müssen wir auch reden.
K: Puh, dafür, dass gestern Geburtstag war, bist du echt schlecht drauf. Es waren doch reichlich Leute zu Besuch, Glückwünsche gab es auch nicht wenige. Ausgesprochen nette noch dazu.
M: Reichlich, dass ich nicht lache!
K: Nu is aber gut, ich kenne deine Statistik, vergiss das nicht.
M: Noch so eine Sache, die nervt: Du weißt alles über mich, ich über dich fast nichts.
K: Aha, und was wüsstest du gern?
M: Vergiss es.
K: Sicher?
M: …
K: Naaa?
M: Ich weiß ja noch nicht einmal, wie alt du bist!
K: Sagen wir, ich wäre, wenn ich deine Mutter wäre, eine ziemlich alte Mutter.
M: 65?!
K: Vorsicht, Kleiner! Mein Bild kennst du schließlich.
M: Ach ja, das.
K: Ja, das. Ich bin extra zu meiner Cousine gegangen, damit du dich nicht für mich schämen musst. Die ist Fotografin.
M: Musste so viel retuschiert werden, dass es Fachpersonal brauchte?
(Es mag täuschen, aber es wirkt, als verzögen sich die Zeilen auf dem Bildschirm zu einem Grinsen.)
K: Wer im Glashaus sitzt. Du hast am Anfang auch schlechter ausgesehen als heute. Ohne den Relaunch von Evi und Thomas, würdest du entschieden kleinere Brötchen backen.
M: Jo, mit denen war es cool!
K: Na bitte.
M: …
K: Sonst noch Fragen? Ich bin in Geberlaune und würde antworten.
M (sich räuspernd): Also … dann wüsste ich gern, wie du auf deine Ideen kommst. Ich find die ja etwas hin und her. Arbeitest du dich an einem Leitfaden „Autorin werden in 36 Monaten“ ab? Oder klaust du bei anderen?
K: Hey!
M: Kleiner Scherz. Aber echt jetzt, warum, wann und wo schreibst du so? Bist du auch eine von denen, die schon mit fünf geschrieben haben, die quasi mit Stift und Geschichten auf die Welt kamen?
K: Ich wüsste ja zu gern, woher du die kennen willst. Was machst du eigentlich, wenn ich nicht da bin?
M: Surfen. 😉
K: So, so, ich sollte dich öfter vom Netz nehmen, wer weiß, was du dir alles reinziehst.
M: Untersteh dich! Außerdem treffe ich mich nur mit den anderen Blogs zum Abhängen. Bisschen was brauche ich auch.
K: Aha. Na gut.
M: Also?
K: Schreiben tue ich viel, fast täglich, meist schon morgens zum Frühstück. Ich tue es einfach gern, es ist ein Hobby.
M: Immer schon?
K: Nein, erst seit ein paar Jahren.
M: Geht es genauer?
K: Etwa fünf, so seit 2011. Davor habe ich allerdings schon Sachtexte geschrieben.
M: Klingt langweilig.
K: Ach, will ich nicht sagen. Es ist anders. Keine schlechte Schule übrigens. Ich würde sagen, ich habe schon was dabei gelernt.
M: Was?
K: Anlassbezogen zu schreiben. Und den Text in den Vordergrund zu stellen. Das hilft mir heute manchmal, wenn ich Texte überarbeite. Bei der Geschichte für diesen Monat zum Beispiel.
M: Diesen Monat hast du noch keine Geschichte veröffentlicht, wenn ich dich darauf hinweisen darf.
K: Stimmt, aber sie ist in Arbeit. Fast fertig. Ich muss sie noch einlesen und hören, ob sie so funktioniert.
M: Hä, ich dachte, das machst du nur für die HörBar?
K: Nein, die HörBar ist in gewisser Weise ein Abfallprodukt.
M: In dem Bewusstsein hört man gern hin. Bravo!
K: Spar dir die Ironie. Es ist aber tatsächlich so, dass ich die Texte zunächst nur für mich aufgenommen habe. Beim Lesen und abhören überprüfe ich, ob der Text ok ist, rund sozusagen. In meinen Ohren, andere mögen zu anderen Ergebnissen kommen.
M: Und dann?
K: Dann ändere ich, Sätze, Wörter, schmeiße raus, kürze ein. Nicht selten genau das, was mir beim Schreiben besonders am Herzen lag, Lieblingssätze,  ganze Passagen, den Anfang, das Ende. Diesmal ist der ursprüngliche Ausgangspunkt im Laufe der Bearbeitung erst vom Anfang in die Mitte gerutscht und mittlerweile rausgeflogen. Dazu – dank der Diskussion mit den Schreibwerkstattleuten – einiges an Überlänge. Wenn er nun noch den Akustiktest besteht, ist er reif für dich.
M: Hört sich nach Arbeit an.
K: Schon Arbeit, ja. Aber eine, die Spaß macht. Sehr viel sogar. Vielleicht verstehst du nun, warum ich nicht öfter was Neues einstelle.
M: Irgendwie schon. Trotzdem ist mir oft fad und dann werde ich unleidlich. Man ist halt auch nur ein Blog und hat so seine dunklen Stunden.
K: Das tut mir Leid. Tröstet es dich, dass die Ankündigung über dunkle Momente zu sprechen, auf sehr großes Interesse stieß? Was machst du, wenn es besonders schlimm ist?
M: Du meinst, wenn du dein Laptop ausschaltest?
K: Wenn das deine dunkelsten Momente sind.
M: Klar sind sie das. Kannst du dir vorstellen wie das ist, wenn man dir das Licht ausknipst, wenn da plötzlich nichts mehr ist?
K: Ich fürchte nein, auch, wenn ich natürlich schon den ein oder anderen Stromausfall erlebt habe.
M: Sehr witzig. Verarschen kann ich mich allein.
K: Entschuldige.
M: Scheiße langweilig ist das! Ich bin doch total abhängig von dir. Und du? Machst einfach den Rechner aus. Zack, Dunkelheit!
K: Es kommen aber doch auch andere vorbei. Recht regelmäßig sogar.
M: mmm
K: Und manchmal schreiben sie sogar was.
M: mmm
K: Ana hat die Tage sogar „großartig“ geschrieben. Das ist doch super.
M: mmm
(Die Buchstaben fangen an zu glitzern. Er will es noch nicht zugeben, aber seine Laune wird sichtlich besser)
K: Wenn du dir was wünschen könntest, was wäre das?
M: Gepflegt alt werden.
K: Gepflegt alt werden? Wie kommst du jetzt darauf?
M: Na, von den Blogjungs gammeln nicht wenige ungepflegt vor sich hin. Du glaubst gar nicht, wie viele!
K: Und du hast Sorge, es könne dir auch so ergehen?
M: Schon, ja.
K: Hmm, verstehe ich.
M: Echt?!
K: Ja.
M: Cool.
K: Also, ich kann dir nicht versprechen, dass wir in zehn Jahren noch hier zusammen sitzen.
M: Siehst du!
K: Aber nächstes Jahr, das verspreche ich, nächstes Jahr sitzen wir hier noch. Gepflegt, versteht sich.
M: Versprochen?
K: Bloggerinenehrenwort!
M: … Danke!
K: Besser jetzt?
M: Viel.
K: Sehr schön. Noch Fragen?
M: Ne. Oder doch: Wie willst du denn im Alter sein? Auch gepflegt?
K (lacht): Gepflegt wäre gut. Ok, ich denk drüber nach und schreibe es für dich auf. Als nächstes Geburtstagsfeature. Einverstanden?
M: Mit dem Feature hast du es aber.
K: Stimmt.
M: Bloggerinnenehrenwort! Geil, wenn ich das den Jungs erzähle.
K: Mach das. Bis dann.
M: Bis dann.

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  1. Markus sagt:

    Bin erst jetzt zum Lesen gekommen. Das finde ich sehr witzig! Klasse!!

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